Mittwoch, 28. Januar 2009

Frühstück trostlos

Heute morgen wachte ich auf und wunderte mich, dass es schon hell war. Der Blick auf den Wecker ließ mich aus dem Bett hüpfen und ins Bad stürmen. Ich hatte satte eineinhalb Stunden verschlafen.

Ansonsten gönnen wir uns jeden Morgen ein schönes Frühstück. Kaffee aus dem Mokkakännchen, die Bohnen frisch gemahlen. Käse, Marmelade, Butter, gerne auch mal einen Happen Hering. Dazu die Zeitung. Vielleicht ein bisschen spießig, aber mit einem Heißgetränk und zwei bis drei Broten im Magen macht der Frühstart einfach Spaß.

Heute: Ein sogenanntes "Ciabatta" vom Imbissladen am Ostkreuz. Wie etwas so Labbriges diese optische Knusprigkeit vortäuschen kann, ist mir ein echtes Rätsel. Ehrlich gesagt kann ich mich schon nicht mehr erinnern, ob ich jetzt Salami oder Schinken hatte. Schade um die 2,50 Euro für eine Art Flugzeugverpflegung. Im Ziel-S-Bahnhof dann bei Kamps noch mal Nachschub geholt. Ei-Schrippe 2 Euro (Alibi 1,99). Bisschen sehr mayonnaisig und süßlich. Gleicher Gedanke, wie eigentlich jedesmal, wenn ich so ein Zeug gegessen habe - "Muss ich nicht haben." Genau wie die zwei Tassen Brühkaffee auf Arbeit. Fazit: Magen übersäuert, klumpiges Gefühl.

Im Geiste notiert: Selbst wenn man verschläft, lieber 5 Minuten Zeit fürs Brote machen nehmen. Oder noch besser: Abends schon die Bentobox mit kleinen und gesunden Köstlichkeiten füllen und morgens dann genießen. Kettenbäcker und Fertigbrötchenstände an S-Bahnhöfen (und nicht nur da) meiden.

Montag, 26. Januar 2009

Das Johann Rose: Kreuzberger Café-Plüschiversum

Putto mit Kippe vor StreifentapeteGruß von der Theke

Die seltenen Sonntagsbesuche bei meiner Großtante Margarete - die nur zärtlich "Rettl" genannt wurde - liefen immer nach dem selben Muster ab. Wir wurden ins Wohnzimmer geführt, das mit Möbeln vollgestopft war, und quetschen uns auf das plüschige Sofa. Häkeldeckchen lagen auf dem Couchtisch, eingedeckt mit geblümten Rosenthal-Porzellan. Rettl servierte selbstgebackenen Kuchen und dünnen Brühkaffee. Dann langweilten wir Kinder uns gefühlte fünf Stunden.

Das ist viele Jahre her. Aber als wir am Sonntag das Café Johann Rose betraten, kam es mir vor, als hätte jemand die gute Stube meiner Großtante nach Berlin in die Forster Straße 57 verfrachtet. Nein. Eigentlich sind es drei bis vier Rettl-Wohnzimmer, die den Gastraum verstopfen. Es fehlen auch nicht die Blümchentassen, die Troddelkissen, die Häkeldecken. Dafür gibt es W-Lan, einen Plastikputto und Chansons statt Blasmusik.

Kaffee und QuarkkuchenBlümchentasse, aber kein Blümchenkaffee

Der Kuchen ist selbstgebacken und lecker wie bei der Tante, der Kaffee natürlich besser. Wir tranken zu klassischem deutschen Käsekuchen und Walnusskaramell-Torte köstlichen Cappucchino. Die Preise sind Kreuzberg-kompatibel: Gebäck 2,50 Euro, das Heißgetränk 2 Euro. Langeweile kam nicht auf. Coffeetablebooks aus früheren Zeiten ("Goldenes Coburg - die Fränkische Krone") und Bastelbücher aus den 80erjahren versüßten uns den Sonntag im Plüschiversum. Das ist übrigens größtenteils rauchfrei, ein knuffiges Separée erlaubt die Zigarette zum Aperitif.

Blumenschmuck im Johann RoseImmer frischer Blumenschmuck

Sonntag kann man im Johann Rose gepflegt brunchen. Ob die Schinkenröllchen mit Dosenspargel auch eine Referenz an die 60er und 70er sind? Tomaten mit Fleischsalatfüllung und "Fliegenpilze" aus gekochten Eiern mit Tomatenhut und Mayonaisetupfern konnte ich nicht entdecken.

Johann Rose Berlin-Kreuzberg, Forster Str. 57Außen Kreuzberg, innen knuffig

Samstag, 24. Januar 2009

Zitrone muss nicht immer heiß sein

Vitamin C ist zur Stärkung der Abwehrkräfte, so macht an uns seit Äonen weis, unverzichtbar. In Zeiten grassierender Erkältungen kommen wir diesem Gebot gern nach, aber man kann auch beim besten Willen nicht jeden Tag Kiwis verschlingen. Also führt kein Weg vorbei am Klassiker: der Zitrone.


Erfreulicherweise habe ich neben der klassischen heißen Zitrone und einer deliziösen Cremespeise noch ein drittes Rezept im Köcher, das mich seit Jahrzehnten begleitet. Der Zitronenkuchen - in einem uralten Kochbuch vollkommen übertrieben als "Zitronentorte" tituliert - ist zum Glück nicht nur mein Lieblingskuchen, sondern auch schnell und preiswert hergestellt und mir fast noch nie misslungen (außer beim Gastbacken auswärts, wenn die Öfen sponnen).

Der Teig ist rasend schnell zusammengerührt: 250 g Margarine, 200 g Zucker, 200 g Mehl, 4 Eier, 1/2 Pkg. Backpulver, die geriebene Schale von einer Zitrone (bei Mangel an ungespritzten Zitronen ein Päckchen CitroBack oder ähnliches Ersatzpulver) und eine Prise Salz werden gerührt, bis eine dicke, etwas breiig-zähe Masse entsteht. Dann gilt es, den Teig nicht schon beim Kosten aufzufuttern, sondern in eine gefettete Springform zu geben und im vorgeheizten Ofen auf mittlerer Schiene bei mittlerer Hitze ca. 30 min zu backen.

In der Zwischenzeit kann man sich die Fingernägel schneiden oder ein wenig die Küche aufräumen, dann rührt man fix (nicht zu früh) aus weiteren 150 g Zucker und dem Saft von zwei mittelgroßen Zitronen den Guss zusammen. Mit einem Holzstäbchen testet man, ob der Teig, der inzwischen hochgegangen, an der Oberfläche hügelig und etwas angebräunt sein sollte, fertig ist - bleibt nach dem Einstich kein Teig mehr am Stäbchen hängen, kann der Kuchen aus der Röhre. Dann kommt der Husarenstreich.


Mit dem Test-Stäbchen wird die Oberfäche systematisch verunstaltet, also mit etlichen Löchern versehen, die idealerweise bis zum Boden reichen. Wenn die Kuchenoberfläche einer Mondkraterlandschaft gleicht, darf man sein Vernichtungswerk beenden. Dann kommt der konstruktive Teil: Der Guss wird noch einmal kräftig durchgeührt, bis Zucker und Saft gleichmäßig vermischt sind, und mit einem Löffel schön gleichmäßig auf dem Kuchen verteilt. Nach kurzer Zeit dürften einige Löcher wieder aufgehen, die werden sofort wieder mit Guss verfüllt. Das sollte recht schnell gehen, um der Gerinnung zuvorzukommen. Nach einigen Minuten dürfte eine hübsch kristallin schimmernde Oberfläche entstehen.


Die einzige Leistung des Hobbybäckers besteht nun darin, sich so lange auf die Finger zu hauen, bis der Kuchen vollständig abgekühlt und die Kruste ordentlich ausgehärtet ist. Dann wird, wenn nötig, an den Rändern die Zuckerkruste vorsichtig von der Form getrennt und die Springform aufgeploppt. Eine Kanne Kaffee und einige hungrige Mäuler dazu - fertig ist die klassische Sonntagnachmittags-Kaffeezeit.

Aus Erfahrung wird der Kuchen meist erst einmal skeptisch angestarrt, weil er so nach rein gar nichts aussieht. Jeder Rührkuchen aus einer Fertigmischung macht optisch mehr her. Aber in der Regel muss man sich nicht darum kümmern, was man mit Resten macht (zur Not hält das gute Stück aber ein paar Tage) und kann die Zeit nutzen, um anderen das Rezept zu notieren.

Mittwoch, 21. Januar 2009

Heißhunger in Erkältungszeiten

Gewisse Dinge kommen zuverlässig jedes Jahr wieder. Eines davon ist die Erkältungswelle im Winter. Nahezu täglich hört man aus einer anderen Ecke, dass der oder die (z. B. kürzlich Gutes Essen und Wasabi) leider nicht einsatzfähig sei, weil sich Hals, Nase und Hirn zum gemeinsamen Boykott verabredet haben. Dieser Zustand ist mir nicht unbekannt, da ich mir zwar selten grippale Infekte einfange, dafür aber gerne dank quasi-allergischer Reaktionen identische Symptome habe. In diesen Zeiten besinne ich mich gern auf ein altes Hausmittelchen mit angeblichen Wunderkräften: Hühnerbrühe.


Dummerweise verfüge ich weder über einen Schnellkochtopf, der Energie- und Zeitaufwand in erträglichen Maßen hielte, noch habe ich allzu viel Lust, mich mit Triefnase und Niesattacken lange in die Küche zu stellen. Glücklicherweise stieß ich in meiner Verzweiflung im Supermarkt nebenan auf die oben abgebildete Ersatzdroge, die zu meinem Erstaunen der selbstgemachten Version recht nahe kam. Trotz Glutamat, Aroma und Farbstoffen schmeckt das Süppchen mit der richtigen Wasserbeigabe angenehm hühnerig, leistet sich auch ein paar Fettaugen und enthält vernünftige Fleischstückchen. Mit etwas Reis und ein paar Erbsen ist der knappe Liter Suppe für einen Schniefenden ein vollkommen ausreichendes Abendessen.

Ob das Süppchen tatsächlich so gesund ist, wie gern behauptet wird, lasse ich dahingestellt. Auf jeden Fall schmeckt es (im Gegensatz zur Rindfleisch-Variante, die mich nicht so sehr begeisterte) gut, ist schnell zubereitet und wärmt auf. Dafür verzeiht man dem Konzentrat auch das bescheuerte Bild auf dem Etikett. Gourmethäppchen braucht in den beschriebenen Momenten ohnehin keiner.

Samstag, 17. Januar 2009

Der Feind des Blogs: Faulheit und Konservatismus

Viele Blogs haben ihre Höhen und Tiefen, und außer einigen A-Bloggern, die scheinbar immer was zu schreiben wissen, schwächelt fast jede/r Onlineschreiber/in auch gerne mal. Wie man es auch hier beobachten kann. Nach heftigem Nachdenken wurde mir auch klar, warum das so ist: weil wir derzeit viel zu viel in der Bude sitzen und ansonsten ständig in die selben Wirtschaften gehen.

Das Tapas 6 ist so eine Adresse: immer wieder gerne besucht, immer wieder klasse, was soll ich da noch schreiben? "Wieder im Tapas 6 gewesen. Der Kutteleintopf war ein absoluter Gaumenhit. Ein Thüringer zeigt den Spaniern, wie man Tapas macht." Langweilig, das wissen wir. Ich möchte ja nicht, dass es euch wie den Lesern von Tip, Zitty, Berliner Zeitung und anderen Hauptstadtblättern geht. Schon wieder ein Artikel über Tim Raues Ma-Restaurant. Was steht drin: Raue mag keine Kohlenhydratbeilagen, sondern setzt auf pures Geschmackserlebnis, Raue macht "seine" asiatische Küche, das Essen ist spitze. Und einen Michelinstern hat er auch. Gähn. Was sollen sie auch sonst in den Computer hacken, die Gastroschreiberlinge. So ist das. Was gut ist, muss man nicht ständig neu ins Blatt bzw. Blog hieven.

Über das Mittelmaß möchte ich schon gar nicht schreiben. Wie es bei diesem auch in der Presse heftigst beworbenen schwäbischen Lokal in Wilmersdorf der Fall war. Etwas trockener Fasan, die Spätzle zu kalt und bestimmt nicht hausgemacht. Die Soße ok, der Kaiserschmarrn sehr gut. Da gingen wir etwas verstimmt raus, waren aber auch nicht restlos verärgert. Vielleicht hatten die Herren Schwaben einfach einen schlechten Tag, sie sollten eigentlich eine zweite Chance bekommen. Aber dafür müssen wir nochmal hin, und ganz ehrlich: Spätzle kann ich selber ganz gut. Also gut, versprochen: die schwäbische Wirtschaft wird nochmal aufgesucht.

Einige unsere bevorzugten Essstationen blieben im Blog leider bisher ohne Widerhall. Wir waren einmal dort, zweimal, dann nochmal. Taumeln immer satt und müde nach Hause, wollen was schreiben ("Wir müssten mal endlich was übers [Name einsetzen] machen!"). Die Bilder sind geschossen, die Rechnung ist ausgewertet. Dann kommt die Faulheit, schlägt mit südamerikanischer Wucht zu ("Manana, manana"). Aus morgen wird übermorgen dann sind zwei, drei Wochen vorbei und ohne zu wissen wie uns geschieht, sitzen wir schon wieder dort, taumeln danach satt und müde nach Hause... Ihr wisst, wie es weiter geht.

Guter Vorsatz für 2009: Nicht immer in die gleiche Wirtschaft einkehren, auch wenn's toll ist (Kampf dem Konservatismus) und dann auch drüber schreiben (wider die Faulheit!).

Freitag, 16. Januar 2009

Glühwein schmeckt den ganzen Winter

Sobald die Temperaturen unter 10 Grad fallen, also ungefähr ab November, verfällt dieses Land in den kollektiven Glühweinrausch. Aber kaum ist das Christfest vorbei, scheinen die Leute die Nase von der süßen Rotweinplörre vollzuhaben. Dabei fängt der Winter mit Neujahr erst richtig an, um dann mindestens noch zwei Monate anzuhalten. Ist doch ein guter Grund, zuhause Glühwein zu machen, oder?

Einen ganz leckere Variante köchelte ich letzthin aus hessischem (na ja, fast-hessischem) Apfelwein. Rezept siehe unten. Den Tipp kam von S., einem nach Berlin ausgewanderten Frankfurter. Freundlicherweise brachte er mir vom Heimatbesuch einen gemischten Kasten des dortigen Nationalgetränks mit. "Fast-hessisch" deshalb, weil der angelieferte Most auf der unterfränkischen, sprich bayerischen Seite des Spessarts produziert wird.

Apfelwein mit und ohne SpeierlingHessische Nationalisten trinken natürlich keine bayerischen Erzeugnisse. Und seien sie noch so lecker.

Ich mag beide Sorten, die normale und die Variante mit Speierling mit ihrem feinen Bitterton. Das ist bestimmt besonders gesund, obwohl natürlich schon der normale "Äppler" das Wohlbefinden steigern soll. Meine Bekannte M. - ebenfalls hessischer Herkunft - schwört jedenfalls darauf. Vermutlich auch, weil er ihre Verdauung, wie sie gerne mitteilt, ordentlich in Schwung bringt. Wasabi mochte den puren Apfelwein gar nicht. Er schmecke nach "flüssigem Komposthaufen" teilte sie mir nach der Rohverkostung mit einem verknüllten Gesicht mit. Offensichtlich teilt sie nicht meinen Geschmack. Bleibt mehr für mich. Gäste biete ich natürlich immer ein Glas an, aber die bedanken sich nach dem ersten Schluck auch in der Regel mit Sätzen, wie "schmeckt schon gewöhnungsbedürftig" und überlassen mir den Rest. Danke.

Als Glühwein mag ihn aber auch Wasabi. Zucker und Gewürze lassen den erdig-sauren Grundton fast verschwinden und machen aus dem herben Hessentrank ein wunderbares Wintergetränk mit höchstens fünf Volumenprozent Alkohol. Hier ist das Rezept:

Glühwein mit Apfelwein (inspiriert vom geliebten Kochbuch der Eugenie Erlewein)

Zutaten
1/2 Liter Apfelwein (hessische Art)
1/4 Liter Wasser
1 Zimtstange
2 Nelken
1/2 unbehandelte Zitrone
Zucker nach Geschmack
Zubereitung

Die Zitronenschale mit einem Sparschäler in dünnen Streifen abpellen. Das Wasser mit Zimt, Nelken und Zucker mehrmals aufkochen. Dann den Apfelwein hinzugeben, alles nochmal sanft zum Kochen bringen und kurz durchziehen lassen. Bevor man den Glühwein ausschenkt, fischt man die Gewürze aus dem Topf. Ich gieße ihn immer durch ein Sieb in die Tasse.

Die Gewürzmenge ist übrigens nur ein Richtwert. Laut Erlewein-Kochbuch soll das für die doppelte Flüssigkeit ausreichen ("1 Flasche Wein, 1/2 Flasche Wasser", allerdings nimmt sie auch Rotwein). Mir war das eindeutig zu lasch, ich mag es kräftiger. Einfach ausprobieren - der eigene Geschmack entscheidet. Zucker ruhig reichlich verwenden, hessischer Apfelwein ist praktisch ohne Restsüße. Immer portionsweise abschmecken, damit das Getränk nicht zu klebrig wird.

Sonntag, 4. Januar 2009

Gaumenorientierte Jahresbilanz

Am Ende eines Jahres zieht man gern einen doppelten Strich, um nachzuschauen, was es gebracht hat und was nicht. Ich will diese seltene Gelegeneheit nicht ungenutzt verstreichen lassen und über einige originelle oder bemerkenswerte Dinge Rechenschaft ablegen, die wegen Irrelevanz oder Mangel an Anlässen in den letzten zwölf Monaten liegengeblieben sind. Die Auswahl von Kriterien ist wie immer willkürlich und streng subjektiv.

Gerichtsrätsel des Jahres: Allerlei?
Es war November, als ich mit einem großen Loch im Magen durch Wiens 15. Bezirk stapfte, die Fans brüllend gen Happel-Stadion ziehen hörte (wo sie dann auf Platz und Rängen von ihren türkischen Gegnern kaltgestellt wurden) und rätselnd vor folgenden, neugierig machenden Schildern hängen blieb, welche die Abendkarte des "Restaurant Best" (Nähe Schloss Schönbrunn) anpriesen:


Mich machte dieses Begriffs-Unschärfe so neugierig, dass ich beschloss, herauszubekommen, was sich hinter "Alerlej" bzw. "Allelerei" außer Legasthenie verbirgt. Leider entpuppte sich das Ganze als eine Zusammenstellung von zu Tode fritiertem Schnitzel, ebenso zugerichteter Leber und noch am erträglichsten aufgetauten und fritierten Gemüsemedaillons. Versöhnlich waren lediglich der geringe Preis (6,50 EUR incl. Frittatensuppe), das kühle Wieselburger Bier dazu und das oben erwähnte Fußball-Gemetzel. Das lenkte auch von der angenehm gruseligen Ex-DDR-Frühneunziger-Inneneinrichtung ab.

Misserfolg des Jahres: vegetarisches Schaschlik
So einiges habe ich in diesem Jahr in der Küche Essbares zustande bekommen, aber ein Gericht nehme ich mir immer noch übel. Angeregt durch ein sehr deliziöses Schaschlik in der Dresdner Planwirtschaft, bemühte ich mich, für meine Herzensdame ein Pendant ohne Fleisch zu kreieren. Obwohl sie bis heute behauptet, dass es ganz lecker gewesen sei, nehme ich mir dieses Machwerk aus Räuchertofu, Zucchini, Paprika und Zwiebeln noch heute übel. Außen war es angekokelt, innen roh, nichts nahm den Geschmack voneinander an und die Marinade verteilte sich überhaupt nicht. Ich rufe also alle Blogleser auf, mir schnellstens Vorschläge zukommen zu lassen, wie man es besser machen kann.

Service des Jahres: Drogerie-Bistro, Erfurt
Das kleine Lokal mitten auf dem Touristen-Highway Erfurts am Wenigermarkt 8 in Rufweite der Krämerbrücke ist in vielerlei Hinsicht erwähnenswert. Zum einen hat es sich nicht nur in einer alten Drogerie eingerichtet, sondern Möbel und Dosen gleich stehen lassen.


Außerdem untertreibt es mit seinem Namen, denn der Mix aus deutscher, italienischer und französischer Küche übertrifft Erwartungen, die man mit dem Wort "Bar" verbindet. Der Familienbetrieb liefert viel Schmackhaftes mit originellen Rezeptideen und jahreszeitlichen Innovationen und obendrein noch selbstgemachtes Backwerk. Was die Ex-Drogerie aber zu dieser Rubrik verhilft, ist der Umstand, dass keine Pfefferstreuer auf den Tischen stehen, sondern die Dame des Hauses höchstselbst einige Minuten nach dem Servieren des Gerichts am Tisch auftaucht, eine bedrohliche Mühle "so groß wie ein afrikanisches Männerbein" (Rainald Grebe) schwingt und die gewünschte Menge Pfeffer auf dem Teller verteilt. Auf Zuruf auch gern mehrmals.

Leipziger Neuling des Jahres: Tamers Bistro
Neben dem hier bereits ausführlich besprochenen Chang, der zur ständigen Wiederkehr animiert, hat mich dieses Jahr vor allem eine kleine Leipziger Neuentdeckung sehr gefreut. Es ist ausgerechnet ein Bistro, das genau genommen "nur" eine Edelversion des klassischen Dönerladens ist - das Tamers-Bistro in der Jahnallee 31. Der Chef Tamer Örs, der oft selbst am Tresen steht, serviert nicht nur das Standardprogramm in Fladenbrot und Pizzateig, sondern bietet ein schmuckes Baukastensystem - man stellt selbst zusammen, was man gerne zu sich nehmen möchte. Die große Auswahl und die frischen Zutaten trieben schon unsere Kollegen von der Dönerflatrate in die hemmungslose Begeisterung. Meine seltenen Stadionbesuche sind nun unweigerlich mit einer Tamers-Visite verbunden.

Realsatire des Jahres: Weingut Pallhuber
Die jährliche Wiederholung des Loriot-Zusammenschnitts "Weihnachten bei Hoppenstedts" lässt mich hoffen, dass ich das Geschäft "Pallhuber & Söhne" nicht ausführlicher vorstellen muss. In einem Sketch entert ein Klinkenputzer dieser Firma die Wohnung seines Opfers Frau Hoppenstedt, kippt Weine ineinander bzw. in sich und die Gastgeberin und lallt dabei stets Lobpreisungen auf seine Firma. Sehr erstaunt war ich jedoch, als ich bemerkte, dass der Betrieb ausnahmsweise nicht der Phantasie des Herrn von Bülow entsprang, sondern tatsächlich existiert und sogar eine Niederlassung in Leipzig-Plagwitz hat. Allerdings wirkt der Briefkasten ebenso vertrauenswürdig wie der torkelnde Vertreter.


Kulinarische Emotion des Jahres: der Grinsekuchen
Essen ist oft eine einseitige Angelegenheit. Man bereitet es zu, man serviert es, man schnuppert daran, man genießt es. Von der anderen Seite hat man eigentlich keine Aktivitäten zu erwarten, es sei denn, man wartet so lange, bis sich eigenständige Kulturen bilden, die nicht für den Genuss bestimmt sind. Wie groß war also meine Freude, als mir ein Yes-Törtchen-Imitat aus dem Supermarkt nicht gleichgültig, sondern außerordentlich fröhlich entgegen trat.


Öffnungszeiten des Jahres: Ristorante Teatro, Erfurt
Nochmal zurück nach Erfurt. Dort rief das italienische Restaurant am Mainzerhofplatz 2 neben dem Theater bei mir große Verwunderung hervor. Gewiss hat das Haus durch seine exklusive Nähe zum neu errichteten Kulturtempel eine hervorragende Lage, die ihm in der beeindruckend großen Gaststättenlandschaft dieser Stadt einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Aber ob man Touristen, Schauspieler und Theaterpublikum tatsächlich mit so dermaßen kurzen Öffnungszeiten an sich binden kann, halte ich für fraglich.


Release des Jahres: Bautz'ner Senf-Brotaufstrich
Als ich im Sommer einen Zwischenstopp in Bautzen machte, war ich von der Stadt nur mäßig begeistert. Wirklich erfreut hat mich eigentlich nur ein Glas mit streng limitiertem Brotaufstrich, den ich im Werksverkauf von Bautz'ner erstanden hatte. Dort berichtete man mir, dass es sich um eine Testreihe handele, anhand derer man die Eignung zur Serienproduktion prüfe. Glücklicherweise waren die Tester derselben Meinung wie ich - seit Frühherbst stehen die cremigen Senfpasten, die man sicher auch gut als Gewürz benutzen kann, in drei Varianten in allen größeren Märkten Ostdeutschlands im Regal. Und einige davon sind bereits in meinem Magen verschwunden.

Damit wäre der doppelte Schlusstrich gezogen und der Zeitpunkt für einen kurzen Blick nach vorne gekommen. Da der Winter offensichtlich gerade temperaturbezogen an Fahrt aufnimmt, lege ich euch zum Aufheizen wärmstens einen Polen-Import ans Herz: grzane piwo bzw. Glühbier!