Freitag, 13. September 2013

Treptower Klause: Schlemmerbude hinterm Landwehrkanal

Als ich vor ein paar Jahren die Karl-Kunger-Straße entdeckte, war das ein Ort voller leerer Läden und krakelender Betrunkener. Der Kiez hatte eindeutig schon bessere Zeiten gesehen, dass die Talsohle aber tatsächlich schon durchschritten war, das war ihm nicht anzusehen.

Klause

Am Ende der Karl-Kunger-Straßé, dort wo sie auf die Lohmühlenstraße trifft und der Landwehrkanal die Grenze zum benachbarten Kreuzberg  bildet, gab es damals eine kleine Kneipe mit dem gewissen Spelunkencharme, die Treptower Klause. An der ging ich nur vorbei. Mochte es an dem Muff aus gut hundert Jahren liegen, der aus dem dunklen Raum heraussickerte, oder an der Karte, die mir Wiener für 1,50 und billiges Bier anbot. Bis dann eines Tages der Rollladen verrammelt blieb und die altertümliche Leuchtreklame dunkel.

Doch dann passierte etwas. Menschen schafften Berge verrotteter Teppich aus dem Laden, es wurde gemalt und geschreinert und eines Tages machte die Treptower Klause wieder auf und war ein blitzeblankes kleines Restaurant, mit dem sich ein richtiger Koche und seine Partnerin den Traum von der eigenen Wirtschaft erfüllt hat.

Treptower Klause Speisekarte

Soweit die Vorgeschichte in aller Kürze, denn das wichtigste kommt jetzt: Das Essen. Es ist einfach fantastisch. Jeden Tag, außer Montag, steht Jussuf mit seinen Helfern in seiner blitzeblanken kleinen Küche und kocht uns einen auf, dass einem die Augen tränen. Tränen! Ja. Wasabi saß da, schob sich ein Stück vom Wildschwein in den den Mund und schmeckte mit wässrigem Blick dem Bissen hinterher. Sie hätte das noch nie besser gegessen…

Brotkorb

Fünf bis sechs Vorspeisen, vier Hauptgerichte – dabei immer etwas Vegetarisches und drei Nachtische. Vor der Vorspeise, sozusagen als Ouvertüre zum Hochgenuss, serviert die Klause einen Brotkorb mit Selbstgebackenem und wechselnden Aufstrichen. Apropos Küche: woher ich weiß, wie sie aussieht? Weil man jederzeit neben dem Tresen vorbei in das kleine Edelstahlparadies schlüpfen und der Besatzung auf die Finger schauen darf.

Ich könne jetzt das oder das Gericht beschreiben, was sie dort zubereiten, was aber nicht helfen würden. Denn bis auf ein oder zwei Gerichte wechseln die Gerichte ständig, manchmal mehrmals in der Woche. Was aus ist, ist aus – Convenience ist ein Fremdwort in dieser Küche. In der Klause wird saisonal gekocht: Im Sommer kommen die Kräuter aus deinem Schrebergarten in der Kiefholzstraße und im Herbst huscht bisweilen ein zauseliger Waldschrat durch die Wirtsstube und bringt frische Pilze.

Meine großen Favoriten sind die Vorspeisen, von denen ich gerne zwei nehme und stattdessen auf den Hauptgang verzichte. Oft serviert die Klause ein asiatisch-österrreichisches Crossover. Immer von großer Leichtigkeit und Frische, nie manieriert, immer mit Biss und einem Geschmack, der den wunderbaren Zutaten viel Platz gibt.

suppeSuppe leer 

Zum Beispiel so der Fall bei der Nudelsuppe mit Buchweizennudeln, Tofu und Pilzen  – ein leichtes asiatisches Gericht. Danach die geschmorte Lammhaxe. Butterweich mit einer Soße, die sich mit der buttergetränkten Polenta bestens verträgt , kontrapunktisch dazu der Salat aus bissfesten grünen Bohnen, krachend und kräuterfrisch.

Lammhaxe

Die Hauptgerichte stehen für sich, wenn es fleischig wird, dann kommt es aus artgerechter Haltung. Wie das Schnitzel vom Havelländer Apfelschwein oder die Lammkoteletts in Vorspeisengröße, die hier so verlockend zum “Einjährigen” der Klaus serviert wurden.

Lammkotelett und Schnitzelchen

Wird es fischig, dann weiß man danach, wie eine Forelle, ein Saibling oder auch  Tintenfisch – raffiniert auch schon mal mit Blutwurst gefüllt – auf den Punkt gegart sein muss. Und die Nudelgerichte? Jussufs Ravioli mit Ziegenkäsefüllung und einer buttrigen Zitronen-Kräutersoße – mit frischen Zutaten aus dem genannten Schrebergärtchen – ließen mich mit der Zunge schnalzen. Einen Frau am Nebentisch juchzte vor Freude, das seien die besten gefüllten Nudeltaschen gewesen, die sie jemals gegessen habe.

Die wahre Meisterschaft zeigt der Maître jedoch bei seinen süßen Desserts. Panna Cotta wie geronnene Sahne, schmelzend im Mund, ohne die quallige Wabbeligkeit von zuviel Gelatine, warme Schokoladenküchlein mit Kirschsoße, Fruchtparfait mit einem Traum aus Erdbeeren, dessen Namen ich vergessen habe – Halleluja. Sind die vorigen Gänge schon gut, so lugt beim Nachtisch der Genius um die Ecke.

Blick nach außen

Die Rechnung kommt für uns zwei Personen nach einem üppigen Getafel immer auf 50 bis 60 Euro – inklusive Getränke. Vorspeisen kosten um die 6 Euro, den Hauptgang gibt es ab etwa 12 Euro, für´s Dessert zahlt man 6 bis 8 Euro. Für dieses Geld bekommt man solche Köstlichkeiten wirklich nur in Alt-Treptow,  Freund A., der aus Dresdens Peripherie stammt, habe ich ja in Verdacht, dass er die Fahrt nach Berlin nur in Kauf nimmt, um mal wieder in die Klause zu gehen. Beim letzten Besuch brachte er zwei Freunde mit, die am Ende offenbar kurz davor waren, die Teller auch noch auszulecken. Und R, Grafiker und Genießer, ließ bei einem meiner Leipzigbesuche verlauten, er würde doch wieder gerne mal nach Berlin  kommen. Ob wir denn dann in die Klause… Können wir, machen wir. Die Zeiten im Kiez haben sich gebessert, wir haben jetzt statt Bockwurstküche ein Lieblingsrestaurant, in dem man leider zu bestimmten Zeiten keinen Platz mehr bekommt.

Fast hätte ich die Getränke vergessen. Ach die Getränke. Mein großes schwarzes Loch, ich gebe es zu. Wir haben dort schon mal eine Flasche Wein getrunken, aber wie sagt Anne, die Herrscherin über Gastraum und Theke,  immer zu mir: “Ein Weizen!?” Ein Weizen, ja. Viel mehr kenne ich nicht. Lasst euch beraten, und trinkt vielleicht nach dem Essen einen guten Espresso oder einen der Obstbrände. Ihr werdet nichts falsch machen.

Treptower Klause
Karl-Kunger-Straße 69
12435 Berlin
Dienstag bis Samstag: 18:00 Uhr bis 22:30 Uhr
Sonntag: 17:00 Uhr - 21:30

Tel: 0175- 901 0099
Reservierung für Freitage und Sonnabende ist ratsam

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Sonntag, 18. August 2013

Ein guter Espresso hilft gegen wunden Fuß

Espresso Limo in atti's café

Schön wär’s ja. Mit Fuß-Aua und lahmen Gliedern ins nächste Café einkehren, einen schönen Espresso trinken und danach geht es weiter - mit wundersam verheilten Blasen und neuer Spannkraft im Geläuf.

Leider ist das nie der Fall. Heute zum Beispiel stand ich zweieinhalb Stunden als ehrenamtliche Hilfskraft auf dem SPD-Sommerfest am Brandenburger Tor. Von links bohrte sich Roland Kaiser (“Dich zu lieben, dich zu spüren…”) im penetranten Discofox-Rhythmus in den Gehörgang, von rechts dudelte eine Orjenal-Altberliner-Drehorgel das Lied vom knallroten Gummiboot. Das alleine reicht schon, um sich ganz malade zu fühlen.

Ich entkam dann zwar dem Lärmteppich durch Flucht nach Norden. Aber nach einem Fußmarsch zur U2 am Potsdamer Platz, Umstieg zur U8 am Alex, Fahrt zur Brunnenstraße und Längsdurchquerung der Mauerparks war ich reif für eine längere Rast. Der Liebsten war mein schleppender Hinkegang natürlich nicht entgangen. Kann sein, dass ich auch ein bisschen jammerte. Doch auf dem Marsch zur Schönhauser Allee kamen wir in der Gleimstraße nur an einer schier endlosen Reihe von Abfütterungsbetrieben für das touristische Zielpublikum vorbei. Nichts, das nach Café aussah. Bis die Liebste mit ihrem untäuschbaren Kaffeeriecher atti’s espresso café entdeckte.

atti's espresso Café, Gleimstraße 44

Mit letzter Kraft reingewankt. In die knuffigen kleinen Ledersessel fallen gelassen. Espresso, Cappuccino und einen selbst gebackenen Möhrenkuchen mit ausgeprägter Zimtnote geholt. Zugeguckt, wie Babys durch die Gegend krabbeln und erste Roman-Versuche in Kladden gekritzelt werden. Noch eine Fritzlimo Orange gegen den Durst geholt (“Alle Kaltgetränke nur 2 Euro”). Schließlich 6,90 Euro gezahlt. Für zwei. Der wunde Fuß war zwar nicht verheilt, aber der prima Espresso hatte mich wieder soweit aufgemöbelt, dass ich den Weg ins heimische Neuköllner/Treptower/Kreuzberger Grenzgebiet antreten konnte. Sollte ich bei meinen seltenen Reisen in den Mauerpark wieder Erfrischungsbedürfnisse verspüren, kann atti’s espresso café trotz Deppenapostroph und Deppenleerzeichen im Namen auf meine weiteren Besuche zählen.

Angenehm untouristisch, unhipp, lecker. Empfehlenswert!

atti’s espresso café
Gleimstraße 44, von der Schönhauer Allee Richtung Mauerpark
10437 Berlin – Prenzlauer Berg